Haftung des Treugebers für Stammeinlage?

Haftung des Treugebers für Stammeinlage?

Aus dem bloßen Umstand des Vorliegens eines Treuhandverhältnisses ist keine Haftung des Treugebers für die Leistung der Stammeinlage durch den Treuhänder abzuleiten. Die Zwischenschaltung eines Treuhänders müsste dafür offenkundig Umgehungs- bzw Missbrauchszwecken dienen.

Sachverhalt

Im Jahr 2010 gründeten der im August 2020 verstorbene W* K* und J* P*, beide mit Wohnsitz in Österreich, die M* Ltd („M Ltd“) mit dem Registersitz in W*, Großbritannien über einen Treuhänder. Die Rechtsform der Limited und die Treuhandkonstruktion wählten W* K* und J* P* bewusst, um Haftungen und die wesentlich höheren Gründungskosten einer GmbH zu vermeiden. Der tatsächliche Hauptverwaltungssitz der M Ltd befand sich in Österreich.

Im Jahr 2012 gründete die M Ltd als einzige Gesellschafterin die M* GmbH („M GmbH“) mit Sitz in Österreich. Die notwendige Hälfte des Stammkapitals der M GmbH in Höhe von 17.500 EUR wurde vom Geschäftskonto der M Ltd bei einer inländischen Bank gezahlt und zwischen W* K* und J* P* besprochen, dass es sich dabei jeweils zur Hälfte um 50 % ihrer jeweiligen Stammeinlage handeln solle. Die M Ltd konnte und sollte ihre Gesellschafterrechte betreffend den W* K* zugeordneten Hälfteanteil nur in dessen Sinne ausüben. Zweck  dieser Treuhandhaltung war die Verschleierung der wirtschaftlichen Verhältnisse an der M GmbH. Alleiniger eingetragener Geschäftsführer der M GmbH war J* P*. Faktischer Geschäftsführer hingegen war W* K*, der betriebsintern und nach außen als Geschäftsführer auftrat und an der Spitze der Entscheidungshierarchie stand.

Die M Ltd wurde am 18. 12. 2018 aus dem englischen Register gelöscht. Im August 2019 wurde über das Vermögen der M GmbH das Konkursverfahren eröffnet und die Klägerin zur Masseverwalterin bestellt. Die restliche Stammeinlage der als Alleingesellschafterin eingetragenen M Ltd haftete zu diesem Zeitpunkt mit 17.500 EUR aus, wobei mittlerweile ein Hälfteanteil von 8.750 EUR von J* P* bezahlt wurde.

Die Klägerin begehrt die Zahlung von 8.750 EUR sA. von der Verlassenschaft von W* K*. Er habe mit J* P* die M Ltd in der Absicht gegründet, die wahren Eigentümer der Gesellschaft zu verschleiern und möglichst wenig Kapital in die Gesellschaft einzubringen, sodass der Haftungsfonds für die Gläubiger möglichst gering gehalten werden habe sollen. Es liege ein offenkundiger Umgehungsfall vor, bei dem aufgrund des Gläubigerschutzes der mitbeherrschende Treugeber nicht besser gestellt werden solle, als ein direkt beteiligter Gesellschafter.

OGH-Entscheidung

Eine Haftung des W* K* als Treugeber für die von der M Ltd als Treuhänderin zu leistende Stammeinlage besteht nicht.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des OGH zum grundsätzlichen Verhältnis eines an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung beteiligten Treugebers zur Gesellschaft, dass nach dem Trennungsprinzip Gesellschaftsbeteiligung und Treuhandverhältnis voneinander zu trennen sind (6 Ob 71/21s [ErwGr 3.3.2.]; 6 Ob 216/18k [ErwGr 1.4.]; 2 Ob 67/14p; 6 Ob 37/08x). Der Treugeber hat nicht etwa eine aus seiner gesellschafterähnlichen Stellung abgeleitete Teilrechtsposition innerhalb der Gesellschaft; Gesellschafter ist vielmehr ausschließlich der Treuhänder. Er allein ist Träger der gesellschaftsrechtlichen Rechte und Pflichten, zwischen dem Treugeber und der Gesellschaft bestehen keine Rechtsbeziehungen (RS0123563; vgl RS0010762 [T1]). Das gilt auch für eine offene Treuhand (RS0123563 [T3]). Der Treuhänder übt der Gesellschaft gegenüber eigene Rechte im eigenen Namen aus und ist aktiv sowie passiv klagslegitimiert. Die Gesellschaft wiederum hat alle geschuldeten Leistungen vom Treuhänder zu fordern und geschuldete Leistungen an diesen zu erbringen (6 Ob 71/21s [ErwGr 3.3.2.]; 6 Ob 216/18k [ErwGr 1.4.]).

Pentz in Rowedder, GmbHG6

Ausnahmsweise haftet aber auch der Treugeber für die vom Treuhänder übernommene Einlagepflicht, wenn die Zwischenschaltung eines Treuhänders offenkundig Umgehungs- bzw Missbrauchszwecken dient. Dies ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn der Treuhänder nur deshalb eingeschaltet wurde, um eine diesbezügliche Haftung des Treugebers zu vermeiden und der Treuhänder von vornherein nicht über die erforderlichen wirtschaftlichen Mittel verfügt, seiner Verpflichtung zur Leistung der Stammeinlage nachzukommen („Strohmann“; so zur vergleichbaren deutschen Rechtslage Schütz in MünchKomm GmbHG4Leuschner in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG Großkommentar I3 Roth/Thöni, Treuhand und Unterbeteiligung, in FS 100 Jahre GmbHG 247). In diesen Fällen ist ein erweiterter Haftungsfonds in Form der solidarischen Haftung des Treuhänders und des Treugebers für die Aufbringung der Stammeinlage auch im Hinblick auf den dann höher als die Treugeberinteressen zu bewertenden Schutz der Gesellschaftsgläubiger sachgerecht.

Die bei der Gründung der M GmbH gewählte Treuhandkonstruktion unter Beteiligung der M Ltd, die dazu diente, dass die wirtschaftlichen Eigentümer nach außen hin nicht in Erscheinung traten, führte per se nicht zu einer Haftung des W* K* für die geltend gemachte Stammeinlage. Ebensowenig konnte die bloße (erlaubte) Inanspruchnahme der von der englischen Rechtsordnung bereitgestellten Gesellschaftsform der Limited rechtsmissbräuchlich sein, auch wenn dadurch im Inland gegebenenfalls bestehende höhere Anforderungen für die Kapitalaufbringung umgangen werden sollten (vgl 9 ObA 125/08k mwN). Dass der M Ltd, von deren Geschäftskonto überdies die Hälfte der Stammeinlage stammte, als Treuhänderin die Mittel zur Aufbringung der insgesamt übernommenen Stammeinlage von vornherein fehlten, wurde weder behauptet noch festgestellt. Daher scheidet ein auf die Treugeberstellung des W* K* gestützter Anspruch der Klägerin auf Zahlung der restlichen Stammeinlage aus.

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