Vertrauensschadenversicherung – Wiederholungstäteraussschluss
Eine juristische Person hat für das Verhalten und die Kenntnis ihrer Vertretungsorgane einzustehen. Das Wissen des Alleingeschäftsführers über bereits vor Versicherungsbeginn von ihm verursachte vorsätzliche schädigende Handlungen ist der versicherten Hausverwaltung GmbH zuzurechnen.
Sachverhalt
Der Kläger ist der Fachverband der Immobilien- und Vermögenstreuhänder der Wirtschaftskammer Österreich. Mitglieder des Klägers sind Rechtsträger von Unternehmen, die das Gewerbe der Immobilientreuhänder (§§ 94 Z 5, 117 GewO 1994) ausüben.
Der Kläger schloss über Vermittlung der Zweitnebenintervenientin als von ihm beauftragter Versicherungsmaklerin mit der Erst- und der Zweitbeklagten als Versicherer einen als „Vertrauensschaden“-versicherung betitelten Versicherungsvertrag ab, dessen Zweck es sein sollte, die gesetzliche Pflichthaftpflichtversicherung der Mitglieder des Klägers im Falle vorsätzlicher Schädigung zu ergänzen.
Eines der Mitglieder des Klägers war die o* GmbH (in der Folge: Hausverwaltung). Deren alleiniger Geschäftsführer begann (spätestens) 2012 der Hausverwaltung als Immobilienverwalterin anvertraute Verwaltungsguthaben zu entfremden sowie die zur Verwaltung von Eigenkonten der Auftraggeber dienende Verfügungsmacht zu missbrauchen und setzte dieses Verhalten bis zu seiner Selbstanzeige am 8. März 2019 fort. An diesen Vorgängen war nur er beteiligt. Weder Mitarbeiter der Hausverwaltung noch der Kläger oder die zweite Nebenintervenientin wussten bei Versicherungsbeginn von diesen „Malversationen“.
Der Kläger begehrt Zahlung des Vertrauensschadens an die (geschädigten) Eigentümergemeinschaften, in eventu an den Erstnebenintervenienten. Da innerhalb eines Jahres vor Versicherungsbeginn gesetzte Handlungen vom Versicherungsschutz umfasst seien, wenn der Kläger erst nach Abschluss des Vertrags Kenntnis erlangt habe, seien die Beklagten zur Deckung verpflichtet. Das Wissen des Geschäftsführers der Hausverwaltung über die Malversationen sei weder dem Kläger noch der Hausverwaltung zuzurechnen, sodass die Leistungspflicht der Beklagten auch nicht aufgrund des Wiederholungstäterausschlusses entfalle.
Die Beklagten beantragen Klagsabweisung. Der Kläger habe die Versicherung einzig im Interesse seiner Mitglieder abgeschlossen. Er und die Geschädigten seien daher nicht mitversichert. Aufgrund des vereinbarten Wiederholungstäterausschlusses bestehe keine Deckung, weil sich die Hausverwaltung das Wissen ihres alleinigen Geschäftsführers zurechnen lassen müsse.
Relevante Bestimmungen der AVB
1 Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall
a) Der Versicherer ersetzt den Geschädigten den Vermögensschaden, den ein versichertes Unternehmen diesen zugefügt hat (Versicherungsfall). Der versicherte Personenkreis ist in Ziffer 3.1 definiert. Der Versicherungsfall umfasst auch vorsätzliche, während der Vertragslaufzeit vorgenommene Handlungen, die nach den gesetzlichen Bestimmungen zum Schadenersatz verpflichten.
b) Versicherungsschutz besteht auch für solche Schäden, die den versicherten Unternehmen selbst dadurch entstehen, dass jemand aus dem versicherten Personenkreis laut Ziffer 3.1. einen Vermögensschaden vorsätzlich zufügen.
3 Personen/ Dritte
3.1 Als Personen im Sinne dieser Versicherung gelten die folgenden, zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles tätigen bzw. bei den versicherten Unternehmen Beschäftigten:
a) Arbeiter und Angestellte
b) Einzelunternehmer, Unternehmer, Gesellschafter, Geschäftsführer, Vorstände, Aufsichts-, Verwaltungs- und Beiräte der versicherten Unternehmen.
3.2 Dritte sind Personen, bei denen es sich zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles um keine Personen im Sinne von Ziffer 3.1 handelt.
5 Versicherte Unternehmen
Versicherte Unternehmen sind
5.1 die Mitglieder der WKO Fachverband der Immobilientreuhänder mit einer aufrechten Gewerbeberechtigung als Immobilienverwalter bzw. als Immobilientreuhänder, jedoch nur für den Bereich der Immobilienverwaltung.
10 Ausschlüsse
Nicht ersetzt werden Schäden,
10.1 die durch Personen im Sinne von Ziffer 3 verursacht werden, von denen ein versichertes Unternehmen bei Versicherungsbeginn bzw. bei Einschluss in die Versicherung wusste, dass sie bereits einmal eine vorsätzliche Handlung im Sinne von Ziffer 1 begangen haben;
OGH-Entscheidung
Vor dem Hintergrund, dass das Vertragswerk von der Maklerin des Versicherungsnehmers ausgearbeitet wurde und es den Beklagten nach den Feststellungen möglich war, den Vertragsinhalt zu gestalten, weil der Kläger zu einer Abänderung des Textes bereit war, ist der vorliegende Versicherungsvertrag als individuelle Vereinbarung anzusehen.
Der wesentliche Zweck des zwischen den Streitteilen geschlossenen Versicherungsvertrags bestand darin, die gesetzliche Pflichthaftpflichtversicherung der Mitglieder des Klägers zu ergänzen und auch von diesen (bzw deren Vertrauenspersonen) verursachte vorsätzliche Schädigungen unter Versicherungsschutz zu stellen. Es handelt sich daher um eine Versicherung für fremde Rechnung, weil der Kläger im eigenen Namen mit der Beklagten einen Vertrag geschlossen hat, der das (fremde) Interesse seiner Mitglieder zum Gegenstand hat (vgl RS0017123 [T3, T6]). Dies ist im Verfahren auch nicht strittig. Im vorliegenden Fall ergibt sich weder aus dem Versicherungsvertrag noch aus den sonstigen Umständen bei Vertragsabschluss ein Anhaltspunkt, dass ein eigenes Interesse des Klägers versichert wäre. Auch das Interesse der Geschädigten ist im vorliegenden Versicherungsvertrag nicht mitversichert.
Gemäß Ziffer 10.1 der Vertragsbestimmungen werden Schäden, die durch Personen im Sinne von Ziffer 3 verursacht werden, von denen ein versichertes Unternehmen bei Versicherungsbeginn bzw bei Einschluss in die Versicherung wusste, dass sie bereits einmal eine vorsätzliche Handlung im Sinne von Ziffer 1 begangen haben, nicht ersetzt. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um einen Risikoausschluss.
Die Frage der Zulässigkeit des vereinbarten Risikoausschlusses (vgl Gruber, Grundlagen der Vertrauensschadenversicherung, wbl 2017, 316 [320 f]) bedarf im vorliegenden Fall keiner Erörterung, weil es dem Kläger als Fachverband der WKÖ schon nach Treu und Glauben (vgl RS0018055) sowie dem Grundsatz des venire contra factum proprium verwehrt ist, sich auf dessen Unwirksamkeit zu berufen, wurde diese Vertragsbestimmung doch von der von ihm beauftragten Versicherungsmaklerin formuliert und vom Kläger selbst in das vertragliche Geschehen eingeführt.
Eine juristische Person hat für das Verhalten und die Kenntnis ihrer Vertretungsorgane einzustehen (vgl RS0080502, RS0081066). Gleiches gilt auch nach den vorliegenden Bedingungen: Das Wissen des Alleingeschäftsführers über bereits vor Versicherungsbeginn von ihm verursachte vorsätzliche schädigende Handlungen iSv Ziffer 1 der Vertragsbestimmungen ist der versicherten Hausverwaltung GmbH zuzurechnen. Zusammengefasst wusste daher die zweite Nebenintervenientin bei Versicherungsbeginn von der Vertrauensunwürdigkeit ihres Geschäftsführers, der die vom Kläger geltend gemachten Schäden allein verursacht hat, sodass die Beklagten aufgrund des vereinbarten Risikoausschlusses leistungsfrei sind.