Laufzeitvorteilsklausel = Dauerrabattrückforderung
Die „Laufzeitvorteilsklausel“ ist mit den in der Judikatur behandelten, üblicherweise als „Dauerrabattklauseln“ bezeichneten Vertragsbestandteilen vergleichbar. Die Rückforderung ist nicht zulässig, wenn der Versicherungsnehmer einen wichtigen Grund für die Vertragsauflösung hat.
Relevante Klausel
R10 – Laufzeitvorteil
Im Hinblick auf die erstmals oder neuerlich vereinbarte Vertragslaufzeit entstehen kalkulatorische Kostenvorteile, welche in der vereinbarten Prämie bereits berücksichtigt sind.
Bei vorzeitiger Vertragsauflösung innerhalb von 9 Jahren ab Vertragsbeginn oder -verlängerung entfällt die Grundlage für diese Prämienberechnung. Der Versicherungsnehmer ist daher zur Zahlung einer Nachschussprämie gemäß nachstehender Berechnung verpflichtet: Vor Vollendung eines Jahres ab Vertragsbeginn oder -verlängerung beträgt die Nachschussprämie 90 % einer Jahresprämie. Nach Vollendung eines Jahres ab Vertragsbeginn oder -verlängerung beträgt die Nachschussprämie 80 % einer Jahresprämie. Mit Vollendung jeden weiteren Jahres verringert sich dieser Prozentsatz jeweils um 10 %, sodass die Nachschussprämie nach Vollendung des zweiten Jahres 70 % und nach Vollendung des dritten Jahres 60 % einer Jahresprämie beträgt u.s.w. Als Berechnungsgrundlage wird immer die zum Auflösungszeitpunkt nach Maßgabe des Vertrages aktuelle Jahresprämie herangezogen.
OGH-Entscheidung
Die vorliegende Klausel („Laufzeitvorteil“ mit „Nachschussprämie“) ist mit den in der Judikatur behandelten, üblicherweise als „Dauerrabattklauseln“ bezeichneten Vertragsbestandteilen (vgl RS0126072) vergleichbar: Der Versicherungsnehmer ist hier bei vorzeitiger Vertragsauflösung innerhalb von neun Jahren ab Vertragsbeginn oder -verlängerung zur Zahlung einer Nachschussprämie verpflichtet und verliert dadurch in der Prämie enthaltene Kostenvorteile. Wie die Dauerrabattklauseln verpflichtet somit auch diese Klausel den Versicherungsnehmer zum Ersatz von (monetären) Vorteilen, die ihm wegen einer vorgesehenen längeren Laufzeit des Vertrags (hier 10 Jahre) gewährt wurden. Das Berufungsgericht hat daher zutreffend erkannt, dass die zu den Dauerrabattklauseln ergangene Judikatur auf die vorliegende Klausel übertragbar ist.
Die Rückforderung ist nicht zulässig, wenn der Versicherungsnehmer einen wichtigen Grund für die Vertragsauflösung hat (vgl auch 7 Ob 156/20x [Klausel 9, Rz 90 f]). Gleiches muss auch für eine „Laufzeitvorteilsklausel“ gelten, gibt es doch keine sachliche Rechtfertigung dafür, dass bei Kündigung durch den Versicherer oder Vertragsauflösung wegen eines vom Versicherer gesetzten wichtigen Grundes der Versicherungsnehmer dennoch zur Nachzahlung verpflichtet wäre. Genau dies sieht die Klausel aber bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung vor: Es wird nämlich nur der Fall von der Nachschussprämienzahlungspflicht des Versicherungsnehmers ausgenommen, dass der Versicherer den Vertrag nach Eintritt des Versicherungsfalls kündigt. Hingegen wird etwa die Kündigung des Versicherungsvertrags durch den Versicherungsnehmer bei Vorliegen eines vom Versicherer gesetzten wichtigen Grundes nicht von der Verrechnung der Nachschussprämie ausgenommen, weshalb die Klausel schon aus diesem Grund gröblich benachteiligend nach § 879 Abs 3 ABGB ist.
Anmerkung
Das Urteil ist insofern interessant, als der OGH deutlich macht, dass die Rückforderungsklausel eine Bestimmung enthalten muss, dass der Versicherer keine Rückzahlung fordern darf, wenn der Versicherungsvertrag vom Versicherer gekündigt wird oder etwa bei Kündigung des Versicherungsvertrages durch den VN bei Vorliegen eines vom Versicherer gesetzten wichtigem Grund. Nach Ansicht von Ewald Maitz müssen in der Rückforderungsklausel alle Gründe vollständig angeführt sein. Andernfalls ist die Klausel gröblich benachteiligend für den VN. Es reicht etwa nicht, wenn der Versicherer in der Klausel nur anführt, dass bei Kündigung im Schadenfall durch den Versicherer keine Rückforderung erfolgt. Sämtliche vom Versicherer veranlassten Kündigungsmöglichkeiten müssen als Ausnahme angeführt sein bzw. es muss sonst aus der Formulierung der Klausel hervorgehen, dass in derartigen Fällen keine Rückzahlungsverpflichtung besteht. Das alles gilt auch unabhängig davon, ob die Rückforderungsbeträge der betreffenden Klausel grundsätzlich zulässig sind oder nicht. Das gilt sowohl für Konsumenten- als auch Unternehmerverträge, weil die Bestimmung des § 879 Abs 3 ABGB für beide Vertragsarten anwendbar ist.
Vgl. versdb 2023, 2.