COVID-19 und Risikoausschlüsse Verbraucher
Sowohl die Ausnahmesituationsklausel als auch der Katastrophenausschluss sind intransparent gemäß § 6 Abs 3 KSchG (nicht rechtskräftig).
Der VKI bekämpft folgende Rechtsschutzversicherungs-Klauseln:
Artikel 7 Was ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen?
Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen
1. im Zusammenhang
1.2. mit hoheitsrechtlichen Anordnungen durch Gesetze oder Verordnungen aufgrund einer Ausnahmesituation;
1.3. mit Katastrophen; Eine Katastrophe liegt vor, wenn durch ein Naturereignis oder ein sonstiges Ereignis dem Umfang nach eine außergewöhnliche Schädigung von Menschen oder Sachen eingetreten ist oder unmittelbar bevorsteht.
OLG Wien zur Klausel 7.1.2.
Die Klausel genügt insgesamt nicht den Anforderungen des Transparenzgebots. Zwar wird ein durchschnittlicher, auch nicht rechtskundiger Verbraucher und Versicherungsnehmer ein Verständnis für den „Begriffskern“ haben, allerdings bleibt unklar, ob und welche darüber hinausgehenden Konstellationen vom Ausschluss umfasst sind. Es ist nicht eindeutig, ob eine direkte Betroffenheit und ein Kausal- und Adäquanzzusammenhang im Rechtssinn Voraussetzungen für den Ausschluss sind. Umgekehrt werden nicht einfach alle rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen einer hoheitlichen Anordnung ausgeschlossen. Auch was genau eine „Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit hoheitsrechtlichen Anordnungen durch Gesetz oder Verordnung“ ist und ob es einen Unterschied macht, gegen wen Ansprüche verfolgt oder abgewehrt werden sollen (etwa die „anordnende Hoheit“ oder Dritte), bleibt offen.
Zur Intransparenz trägt schließlich die Verwendung des Begriffs der „Ausnahmesituation“ bei, für welchen es an jeglicher Definition der „Regelsituation“ und der erforderlichen qualitativen und/oder quantitativen Abweichungen davon fehlt. Im allgemeinen Sprachgebrauch bestehen keine klaren Kriterien, die eine zweifelsfreie Zuordnung jeder möglichen Situation entweder als Regelfall oder als Ausnahme zulassen.
Im Ergebnis ist daher die Klausel insgesamt wegen Intransparenz iSd § 6 Abs 3 KSchG zu verbieten, weil dem Verbraucher damit ein unklares Bild seiner vertraglichen Position vermittelt und er dadurch uU von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird. Zwar ist richtig, dass die Anforderungen an das Transparenzgebot nicht überspannt werden dürfen, vom beklagten Versicherer ist aber sehr wohl zu verlangen, dass er die Wechselwirkung zwischen der primären Risikoumgrenzung und den Risikoausschlüssen nachvollziehbar regelt.
OLG Wien zur Klausel 7.1.3.
Auch diese Klausel ist intransparent gemäß § 6 Abs 3 KSchG. Das Oberlandesgericht Wien hat unlängst (4 R 184/21i) zu einer vergleichbaren Klausel eines anderen Rechtsschutzversicherers darauf hingewiesen, dass der OGH bereits zu 7 Ob 118/20h ausgeführt hat, dass schon der Begriff des nicht näher umschriebenen „Ereignisses“ unbestimmt ist. Das Höchstgericht hat dies damit begründet, dass für den durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer offen bleibt, was unter einem „Ereignis“ zu verstehen ist, wenn der Begriff keine wie immer geartete Umschreibung erfährt.
Eine nähere Bestimmung des „sonstigen Ereignisses“ wird dem Versicherungsnehmer weder durch seine Nennung als Alternative zum Naturereignis ermöglicht noch dadurch, dass es zum Eintritt oder dem unmittelbaren Bevorstehen einer „außergewöhnlichen“ Schädigung von Menschen oder Sachen führen muss, weil damit zweifelhaft bleibt, ob grundsätzlich jedes Schadensereignis vom Risikoausschluss erfasst sein soll, wenn es (etwa aufgrund einer Verkettung unglücklicher Umstände) letztlich zu einem größeren als dem üblicherweise bei vergleichbaren Ereignissen entstehenden Schaden führt, oder ob dafür eine dem Ereignis immanente verheerende Wirkung erforderlich ist und es sich bereits an sich um ein schweres Schadensereignis handeln muss, sodass es auch im allgemeinen Sprachgebrauch als Katastrophe bezeichnet würde.
Anmerkung
Diese Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Vergleichbare Klauseln anderer Versicherungsunternehmen wurden vom Oberlandesgericht Wien bereits zu 5 R 13/21z (rechtskräftig) und 4 R 184/21i (nicht rechtskräftig) für intransparent erachtet. Es ist mit Spannung zu erwarten, wie der OGH entscheidet.
Zum Risikoausschluss und Unternehmer vgl. 7 Ob 42/21h.