Krankenversicherung: umgehende Anzeige vor Abschluss

Krankenversicherung: umgehende Anzeige vor Abschluss

Eine Anzeige kann noch als umgehend erstattet angesehen werden, wenn sie nach einem Unfall an einem Freitag, nachmittags, unmittelbar nach dem Wochenende im Laufe des Montags, (also im Laufe des zweiten Werktags nach dem Unfalltag) erfolgt.

Sachverhalt

Die Klägerin beantragte am 20. 12. 2018 über ihren Versicherungsmakler den Abschluss eines Krankenversicherungsvertrags mit dem beklagten Versicherer. Dem Antrag war eine „Schlusserklärung für die Gesundheitsvorsorge“ angeschlossen, die auszugsweise wie folgt lautet: „Ebenso verpflichten sich der Antragsteller sowie alle unterzeichnenden Personen alle etwaigen Änderungen im Gesundheitszustand der zu versichernden Personen, die in der Zeit zwischen dem heutigen Tag und der Übermittlung der Polizze eintreten, umgehend schriftlich anzuzeigen.

Die Beklagte stellte am Montag, dem 7. 1. 2019, die Polizze aus und übermittelte sie am Morgen desselben Tages dem Makler der Klägerin per Mail.

Die Klägerin war am Freitag zuvor, dem 4. 1. 2019, gegen 13:30 Uhr beim Eislaufen zu Sturz gekommen, hatte sich dabei (an der linken Schulter, der Halswirbelsäule und am linken Sprunggelenk) verletzt, war später an diesem Tag in einem Unfallkrankenhaus ambulant behandelt und für den 8. 1. 2019 wiederbestellt worden. Nachdem am 9. 1. 2019 ein MRT erstellt worden war, war bei der Nachbehandlung am 11. 1. 2019 die Schulter noch deutlich bewegungseingeschränkt.

Die Klägerin erstattete keine Meldung der Sturzverletzung an die Beklagte. Im Juli 2019 wurde an der Klägerin im Zuge eines stationären Aufenthalts in einer Privatklinik eine Arthroskopie am linken Schultergelenk durchgeführt, wofür Deckung zu übernehmen die Beklagte am 10. 9. 2019 ablehnte und gleichzeitig erklärte, vom Vertrag zurückzutreten, weil die Klägerin ihrer Obliegenheit, die – der Beklagten erst am 13. 8. 2019 zur Kenntnis gelangte – Sturzverletzung zu melden, nicht nachgekommen sei.

OGH-Entscheidung

Der Versicherungsnehmer hat nach § 16 Abs 1 VersVG beim Abschluss des Vertrags alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen. Erheblich sind jene Gefahrumstände, die geeignet sind, auf den Entschluss des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu den vereinbarten Bestimmungen abzuschließen, einen Einfluss auszuüben. Im Allgemeinen gilt, dass ein Umstand, nach dem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich gefragt hat, im Zweifel erheblich ist.

Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass der Unfall und die dadurch verursachte Symptomatik von der Beklagten ausdrücklich abgefragt worden sind, ist zutreffend und wird im Revisionsverfahren nicht mehr in Frage gestellt. Ebenso zutreffend ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Klägerin eine zumindest leicht fahrlässige Verletzung ihrer Anzeigeobliegenheit anzulasten ist, zumal für den durchschnittlichen, redlichen und vernünftigen Versicherungsnehmer klar ist, dass diese Obliegenheit bis zum Zustandekommen des Vertrags – regelmäßig mit Zugang der Polizze – zu erfüllen ist.

Der Versicherungsvertrag kam nach den Feststellungen somit durch Zusendung der Polizze am Montagmorgen des 7. 1. 2019 an den Makler der Klägerin zustande. Bis zu diesem Zeitpunkt bestand demnach die Obliegenheit der Klägerin, die Folgen des Unfalls vom Freitag zuvor schriftlich zu melden; gemäß der „Schlusserklärung“ hätte dies „umgehend“ zu geschehen gehabt. Wann eine Meldung „umgehend“ erfolgt, ist in den Bedingungen nicht geregelt; im VersVG findet sich der Begriff „umgehend“ nur im – hier nicht einschlägigen – § 11d VersVG.

Jedoch verwendet das Gesetz in anderen Bestimmungen, die eine Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers vorsehen, den Begriff „unverzüglich“. Zur Anzeige wegen Gefahrenerhöhung wird im Schrifttum vertreten, dass grundsätzlich eine Zeitspanne von etwa drei Tagen bis maximal einer Woche dem Unverzüglichkeitserfordernis genügt. Das Berufungsgericht hat daher richtig ausgeführt, dass es hier eine Anzeige noch als umgehend erstattet angesehen hätte, wenn sie nach dem Unfall vom Freitag, dem 4. 1. 2019, nachmittags, unmittelbar nach dem Wochenende im Laufe des Montags, 7. 1. 2019 (also im Laufe des zweiten Werktags nach dem Unfalltag) erfolgt wäre.

Eine zumindest im Laufe des 7. 1. 2019 noch als rechtzeitig anzusehende Anzeige hätte aber auf die am Montagmorgen bereits getroffene Entschließung der Beklagten, ob und zu welchen Bedingungen sie den Vertrag abschließen wolle, sowie die Zusendung der Polizze an den Makler der Klägerin keinen Einfluss mehr nehmen können; der Vertrag wäre auch in diesem Fall so wie tatsächlich geschehen geschlossen worden. Der auf § 16 Abs 2 VersVG gestützte Rücktritt der Beklagten erfolgte daher zu Unrecht.

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