Auch unbestimmter Schlussrechnungsvorbehalt ausreichend, wenn Gespräche zwischen AN und AG nach Rechnungslegung stattfinden

Auch unbestimmter Schlussrechnungsvorbehalt ausreichend, wenn Gespräche zwischen AN und AG nach Rechnungslegung stattfinden

Hat ein Auftragnehmer eine gegenüber der Schlussrechnung verminderte Schlusszahlung angenommen und den Abzügen rechtzeitig widersprochen, kommt es zu keiner Präklusion.

Die Beklagte beauftragte die Klägerin im Zusammenhang mit Umbau, Sanierung und Aufstockung eines Gewerbeobjekts mit diversen Zimmermannsarbeiten sowie – im Zug der Bauführung – zusätzlich mit einer neuen Überdachung und dem Einbau neuer Türen. Vereinbart wurden die Anwendung der ÖNORM B 2110, Zahlungen nach Baufortschritt und Freigabe durch die Bauleitung, ein bei der Schlussrechnung abzuziehender Nachlass von 3 % und ein Skonto von 3 % bei einer Zahlung binnen acht Tagen nach Legung der jeweiligen Teilrechnung.

Die klagende Partei legte vereinbarungsgemäß zwei Teilrechnungen welche nach Kontrolle durch der Bauleiter der Beklagten unter Abzug eines 3%igen bzw 2%igen Skontos bezahlt wurden.

Vereinbarungsgemäß legte die Klägerin die Schlussrechnung für den Hauptauftrag und die Rechnung für den Zusatzauftrag. Der Beklagten war jedoch die Abrechnungsprüfung nicht möglich, weil aus bautechnischer Sicht für Holzbauarbeiten Unterlagen wie Aufmaßpläne, Maßblätter, Aufmaßblätter, positionszugeordnete Massen, Werk-, Abbund- oder Polierpläne der tatsächlich ausgeführten Konstruktion beigefügt hätten werden müssen, aber fehlten. Die Aufforderungen zur Nachreichung der Unterlagen – unter Hinweis, dass der Beginn der Prüffrist der Schlussrechnung erst mit deren formeller Übernahme beginne – blieben ergebnislos.

Der Bauleiter der Beklagten korrigierte die gelegten Rechnungen. Die Klägerin war mit den Korrekturen nicht einverstanden und antwortete per E-Mail innerhalb dreimonatiger Frist wie folgt: „Zu den vorgenommenen Korrekturen der Schlussrechnung muss ich mit Verwunderung feststellen, welche Abweichungen hier zustande gekommen sind?!“.

Ebenfalls noch vor Fristablauf trafen sich die beiden Bauleiter zu einer Besprechung, um die Abrechnung zu klären. Sie gingen die einzelnen Punkte der Abrechnung der Klägerin durch. Mangels Einigung sollten zunächst die festgestellten Mängel behoben werden und dann erneut ein Treffen zur Bereinigung der Unstimmigkeiten stattfinden.

Zu einer Klärung der Unstimmigkeiten und somit Einigung hinsichtlich der strittigen Rechnungen kam es trotz Gespräch und Klärungsversuche jedoch nicht. Die Beklagte korrigierte im Laufe der Monate die Rechnung noch weitere Male.

Die Klägerin begehrte in Folge nach Abzug der Teilzahlungen und einer einvernehmlich erfolgten Korrektur der Schlussrechnung den aushaftenden restlichen Betrag.

Die Beklagte wandte ein, Rechnungen seien nach Prüfung und zutreffenden Korrekturen fristgerecht unter Abzug des Skontos bezahlt worden. Entgegen der ÖNORM B 2110 habe die Klägerin das Aufmaß der durchgeführten Arbeiten in der Schlussrechnung nicht übermittelt. Mangels schriftlich begründeten Vorbehalts schließe die Annahme der Schlusszahlung aufgrund einer Schluss- oder Teilschlussrechnung nachträgliche Forderungen aus. Das Klagebegehren sei unschlüssig, weil die Klägerin vier Versionen des offenen Betrags nenne und nicht nachvollziehbare oder bezahlte Positionen geltend mache.

Erstgericht und Berufungsgericht wiesen das Klagebegehren übereinstimmend als verfristet im Sinn der Vorbehaltsregelung in Punkt 8.4.2. der ÖNORM B 2110 ab. Das Berufungsgericht ließ die Revision mangels Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren Fall der Erstellung einer „Teilrechnung“ durch den mit der Rechnungsprüfung betrauten Bauleiter, einer nachfolgenden Besprechung und einer erst dann folgenden endgültigen Korrektur der Schlussrechnung sowie zur Frage, ob ein Vorbehalt ausdrücklich auch hinsichtlich erfolgter Skontoabzüge erforderlich sei, zu.

Der OGH ließ die Revision der Klägerin zu und hielt den Aufhebungsantrag für berechtigt.

Nach Punkt 8.4.2. der ÖNORM B 2110 schließt die Annahme der Schlusszahlung aufgrund einer Schluss- oder Teilschlussrechnung nachträgliche Forderungen für die vertragsgemäß erbrachten Leistungen aus, wenn nicht ein Vorbehalt in der Rechnung enthalten ist oder binnen drei Monaten nach Erhalt der Zahlung schriftlich erhoben wird. Der Vorbehalt ist schriftlich zu begründen.

Zweck dieser Bestimmung ist, strittige Forderungen bei Bauprojekten möglichst innerhalb kurzer Zeit zu klären und dem Auftraggeber innerhalb kurzen Zeitraums das gesamte Ausmaß seiner Verpflichtungen darzulegen (RIS-Justiz RS0122419).

Dass die oben zitierte Erklärung der Klägerin per E-Mail keinen Grund für einen Einwand nennt und unbestimmt gehalten ist, rechtfertigt im konkreten Fall keinen Anspruchsverlust.

Die Klägerin beruft sich nämlich zu Recht auf die Rechtsprechung des OGH, nach welcher der Auftragnehmer nicht neuerlich gegen eine weitere Schlusszahlung seinen Vorbehalt erklären muss, wenn nach dem ersten Vorbehalt vor der weiteren Zahlung Gespräche über die unterschiedlichen Standpunkte geführt wurden (RS0124589; 8 Ob 164/08p; 3 Ob 157/13d). Ein rechtzeitiger Widerspruch stellt für den Besteller ausreichend klar, dass er sich auf die künftige Geltendmachung des Differenzbetrags durch den Unternehmer einstellen muss.

Das Recht eines Bestellers, selbst eine Rechnung gegen eine entsprechende Vergütung erstellen zu können, schließt den Beginn der Präklusionsfrist für einen Vorbehalt nicht unbedingt aus. Ob es sich bei der Korrektur der Rechnungen durch die Beklagte mangels Übermittlung entsprechender Unterlagen durch die Klägerin nur um eine vorläufige Korrektur handelte, ist nicht relevant, weil der Zweck der Vorbehaltsregelung samt Verfristung von weiteren Ansprüchen eben in der raschen Klärung strittiger Positionen liegt. Die Beklagte wäre außerdem nach Punkt 8.3.7. der ÖNORM verpflichtet gewesen, der Klägerin eine Nachfrist zu setzen, bevor sie das Recht einer eigenen Rechnungslegung in Anspruch nehmen durfte. Das ist jedoch nach den Feststellungen nicht geschehen.

Für den Bauleiter der Klägerin war die Korrektur und Zusammensetzung des Betrages eindeutig erkennbar. Dass die Beklagte noch vor Durchführung eines in Aussicht gestellten endgültigen klärenden Gesprächs in ihrer zweiten Korrektur einen höheren Rechnungsbetrag akzeptierte und eine zusätzliche Zahlung leistete, begründet kein zusätzliches oder neues Klarstellungsinteresse. Die Klägerin war deshalb nicht verpflichtet, innerhalb einer dreimonatigen Frist nach Annahme der letzten Zahlung einen (weiteren) schriftlichen Vorbehalt zu erheben.

Der Bauleiter der Beklagten konnte in dieser Situation auch nicht davon ausgehen, dass die beklagte Partei die Reduktion ihrer Forderungen akzeptiert und damit die Höhe der Forderung endgültig geklärt ist, wenn noch innerhalb der Präklusivfrist ein weiteres klärendes Gespräch in Aussicht gestellt wird.

Der durch den Ablauf einer Präklusivfrist Begünstigte muss die Ausübung des Rechts auch nach abgelaufener Frist zulassen und ein erloschenes Recht hinnehmen, wenn seine Berufung auf die Präklusion gegen Treu und Glauben verstößt (RS0116131). Dies ist der Fall, wenn er beim Anderen nach objektiven Maßstäben den Eindruck erweckt, er werde dessen Ansprüche nur mit sachlichen Einwänden bekämpfen (3 Ob 157/13d; RS0016824). Es reicht aus, wenn der Schuldner den Gläubiger (unbewusst) veranlasst, den Anspruch nicht innerhalb der Frist geltend zu machen (3 Ob 157/13d).

Die Beklagte hat nach Rechnungslegung den Eindruck erweckt, dass die Unstimmigkeiten noch geklärt werden können, ohne auf eine rasche Klärung zu drängen. Erst im gerichtlichen Verfahren berief sie sich erstmals auf die Verfristung des Anspruchs. Ihr Einwand verstößt nach den dargelegten Grundsätzen der Rechtsprechung gegen Treu und Glauben.

Nach dem OGH sind die Urteile der Vorinstanzen somit aufzuheben, da der Anspruch der Klägerin nicht präkludiert ist.

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