In-Sich-Geschäft und Abberufung des Geschäftsführers
Die Nicht-Einholung der Zustimmung zu einem In-Sich-Geschäft stellt nicht gezwungenermaßen eine grobe Pflichtverletzung des Geschäftsführers dar, welche eine gerichtliche Abberufung rechtfertigen würde.
Sachverhalt
Die Klägerin M und der Beklagte G waren bis Juni 2016 verheiratet. Sie halten je 50% an einer Holding-GmbH, welche 100% an einer Tochter-GmbH hält. Während aufrechter Ehe erhielten beide Gesellschafter Gehälter von der Holding in Höhe von monatlich € 3.000,00 sowie von einer Schwester-GmbH, an welcher sie ebenfalls beide mit 50% beteiligt sind, in Höhe von monatlich € 1.000,00 sowie sehr hohe Gewinnausschüttungen, mit welchen sie ihr luxuriöses Leben finanzierten.
Seit der Scheidung genehmigte die Klägerin M keine Jahresabschlüsse mehr, weshalb es zu keinen Gewinnausschüttungen mehr kommen konnte, obwohl jährliche Gewinne von rund € 4 Mio. erwirtschaftet werden.
Der Beklagte G ist sowohl Alleingeschäftsführer der Holding-GmbH als auch der Tochtergesellschaft G-GmbH. Er schloss einen Anstellungsvertrag mit der Tochtergesellschaft G GmbH ab, welche durch die Holding-GmbH vertreten wurde, welche wiederum durch ihn vertreten war. Der Anstellungsvertrag sieht einen jährlichen Bruttobezug von € 240.000,00 plus Bonus in Höhe von 10% des EBIT vor Bonus, eine Unfallversicherung, ein Luxusauto, ein Mobiltelefon und Dienstreisen mit der Businessclass vor.
Die Klägerin war laut einem E-Mail-Verkehr mit einem Gehalt von € 150.000,00 bis € 300.000,00 im Großen und Ganzen einverstanden. Der Beklagte holte ein Gutachten einer Wirtschaftstreuhandkanzlei ein, welche den Geschäftsführerbezug als angemessen und fremdüblich ansah. Dieser war mit rund € 500.000,00 jährlich in Österreich überdurchschnittlich, aber für die konkrete Gesellschaft angemessen.
Entscheidungen der Unterinstanzen
Die Klägerin begehrte die Abberufung des Beklagten als Geschäftsführers der Holding und stützte sich auf zahlreiche, angebliche Pflichtverletzungen. Revisionsgegenständlich war nur noch der Anstellungsvertrag.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass zwar ein In-Sich-Geschäft (Insichgeschäft), jedoch aufgrund der Einholung des Gutachtens zur Fremdüblichkeit kein grobes Verschulden vorliegt. Außerdem sei der Inhalt des Anstellungsvertrages vor dem Hintergrund zu sehen, dass seit Jahren aufgrund der Klägerin keine Ausschüttungen mehr erfolgten.
OGH-Entscheidung
Der OGH nahm vorerst zur Abberufung aus wichtigem Grund nach § 16 Abs 2 GmbHG Stellung. Ein vorheriger Beschlussversuch sei nicht erforderlich, da der Beklagte ebenfalls als 50%-Gesellschafter an der Holding beteiligt ist. Die Klägerin trägt für die grobe Pflichtverletzung die Beweislast. Ein wichtiger Grund zur Abberufung ist dann gegeben, wenn die Umstände das Verbleiben des Geschäftsführers unzumutbar machen. Die Gesamtumstände des Einzelfalls sind unter Abwägung der Interessen sämtlicher Gesellschafter zu würdigen. Dabei ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten.
Gegenständlich liegt ein verbotenes In-Sich-Geschäft vor (§ 25 Abs 4 GmbHG). Eine Sanierung wäre nur durch (formlose) Zustimmung aller Gesellschafter möglich. Gegenständlich liegt zwar die Zustimmung der Holding-Gesellschaft zum Anstellungsvertrag zwischen den Beklagten und der G-GmbH vor, was eigentlich formal zu einer Zustimmung des In-Sich-Geschäftes führen würde. Aufgrund der Personalunion, da der Beklagte sowohl Alleingeschäftsführer der G-GmbH als auch der Holding Gesellschaft ist, liegt jedoch hier wieder nur ein In-Sich-Geschäft vor. Der OGH verlangt im Falle einer solchen Unternehmenskette auch eine Kette von genehmigenden Willenserklärungen aller Gesellschafter (6 Ob 175/98y). Der Beklagte hätte daher als Geschäftsführer der Holding die Zustimmung der Holding Gesellschafter für den Abschluss des Anstellungsvertrages einholen müssen. Grundsätzlich liegt daher eine Pflichtverletzung vor. Der Beklagte wäre bei der Zustimmungseinholung vom Stimmrecht ausgeschlossen gewesen.
Eine Pflichtverletzung rechtfertigt jedoch nur dann zur Abberufung des Geschäftsführers, wenn diese grob ist. Der OGH erachtet die Verneinung der groben Pflichtverletzung durch das Berufungsgericht als vertretbar. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass das Einverständnis der Klägerin zu einem Anstellungsvertrag mit einem Bezug von € 150.000,00 bis € 300.000,00 vorlag. Weiters hat der Beklagte eine Stellungnahme der Wirtschaftstreuhandkanzlei eingeholt, welche ihm die Angemessenheit und Fremdüblichkeit des Anstellungsvertrages bescheinigte. Darüber hinaus bleibt zu berücksichtigen, dass aufgrund des Verhaltens der Klägerin die jährlichen Gewinne von € 4 Mio. nicht an die Gesellschafter ausgeschüttet werden können.
Schlussendlich verweist der OGH darauf, dass persönliche Animositäten oder Familienstreitigkeiten keinen wichtigen Grund für den Entzug der Geschäftsführungsbefugnis darstellen.
Kritik
Auer kritisiert an dieser Entscheidung, dass das Stimmverhalten der Klägerin bei der Gewinnausschüttung kein maßgebliches Argument gegen eine grobe Pflichtverletzung darstellen darf, außer das bisherige Gehalt sei wegen der Gewinnausschüttung besonders niedrig gewesen.
Kraus (GesRZ 2020, 426) kritisiert an der Entscheidung, dass der OGH je nach Rechtsform eine unterschiedliche Ansicht vertritt, wann eine grobe Pflichtverletzung vorliegt. Bei der Privatstiftung sei der OGH weit strenger (vgl. 6 Ob 244/15y). Darüber hinaus verweist Kraus auf die Entscheidung 6 Ob 35/19v, wo der OGH aussprach, dass ein Vertrag schwebend unwirksam ist, wenn der Vertreter bei dessen Abschluss seine im Innenverhältnis bestehenden Pflicht, wenn auch ohne Schädigungsvorsatz, überschritten hat und dem anderen Teil dieser Umstand bekannt war oder sich geradezu aufdrängen musste. Gegenständlich ist dieser andere Teil der Beklagte als Geschäftsführer. Der OGH befasst sich in der gegenständlichen Entscheidung überhaupt nicht mit der Frage des wirksamen Abschlusses des Anstellungsvertrages (vgl. Blog-Beitrag zu 6 Ob 35/19v).