Unfallbegriff und Leistungsverkürzung bei mitwirkenden Ursachen

Unfallbegriff und Leistungsverkürzung bei mitwirkenden Ursachen

In der Unfallversicherung ist für die Leistungskürzung bei mitwirkenden Ursachen nicht relevant, ob die Vorerkrankungen am Unfallereignis selbst mitgewirkt haben, sondern nur ob sie an den Unfallfolgen mitgewirkt haben.

Zwischen den Streitteilen besteht ein Unfallversicherungsvertrag.

Relevante Bestimmungen der AUVB

Artikel 6 – Was ist ein Unfall?

Begriff des Unfalles

  1. Ein Unfall liegt vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet.

Artikel 19 – Welche sachlichen Begrenzungen gibt es?

Sachliche Begrenzung des Versicherungsschutzes

  1. Eine Versicherungsleistung wird nur für die durch den eingetretenen Unfall hervorgerufenen Folgen (körperliche Schädigung oder Tod) erbracht.
  2. Auswirkungen von Vorerkrankungen, Gebrechen oder Abnützungserscheinungen

3.1 Haben Krankheiten, Gebrechen oder Abnützungserscheinungen, die schon vor dem Unfall bestanden haben, die Unfallfolgen beeinflusst, ist

– im Falle von dauernder Invalidität (gemäß Art. 7, Pkt. 1) der Invaliditätsgrad, entsprechend dem Anteil der Krankheit, des Gebrechens oder der Abnützungserscheinung zu kürzen.

Sachverhalt

Der Kläger leidet an Diabetes Mellitus und diabetischer Polyneuropathie. Ein Charakteristikum der Erkrankung Diabetes Mellitus ist die schlechte Wundheilung, die erhöhte Infektionsanfälligkeit sowie eine allgemein stark erhöhte Komplikationsrate bei Erkrankungen und Verletzungen. Charakteristikum der diabetischen Polyneuropathie ist der teilweise oder vollständige Funktionsausfall der sensiblen und motorischen Nerven.

[Der Kläger nahm im Rahmen einer Massage-Behandlung ein Fußbad, bei dem zur Erwärmung des Wassers ein elektronisches Gerät verwendet wurde. Aufgrund einer Fehlfunktion erhitzte das Gerät das Wasser zu stark (Einstellung auf ca 37° C, Erhitzung auf ca 60° C), was dem Kläger aber aufgrund seiner Erkrankungen zunächst (ca 10 Minuten lang) nicht auffiel. Als er die Hitze bemerkte, zog er die Beine zwar sofort aus dem Wasser, hatte aber bereits zweit- und drittgradige Verbrennungen erlitten, die eine Behandlung im Krankenhaus, mehrere Operationen und aufgrund einer chronischen Infektion auch die notfallmäßige Amputation des linken Unterschenkels notwendig machten.

Es stellte sich die Frage, ob überhaupt ein Unfall im Sinne der Bedingungen vorlag und ob die Vorerkrankungen des Klägers zu einer Leistungsverkürzung führen.

OGH-Entscheidung

Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die Einwirkung des heißen Wassers auf die Unterschenkel des Klägers über einen Zeitraum von rund 10 Minuten als Unfall im Sinn von Art 6.1. AUVB 2011 zu qualifizieren ist, hält sich laut OGH im Rahmen der Judikatur. Beim Aufheizen der Wassertemperatur von 37° C auf etwa 60° C in rund 10 Minuten handelte es sich zwar um ein allmählich eintretendes Ereignis, allerdings bestand objektiv kein Grund, dass der Kläger mit dem Erwärmen des Wassers über die anfänglich eingestellten 37° C rechnen musste und er konnte sich dem Ereignis auch nicht entziehen, weil er die Erhitzung aufgrund seiner Erkrankungen solange nicht spürte bis er bereits starke Verbrennungen erlitten hatte.

Bei der Klausel Art 19.3. AUVB 2011 über die Leistungskürzung bei mitwirkenden Ursachen wird allein auf die Mitwirkung der Krankheiten, Gebrechen oder Abnützungserscheinungen auf die Unfallfolgen abgestellt, nicht jedoch darauf, ob beim Unfallereignis selbst Vorerkrankungen mitgewirkt haben (7 Ob 103/15w zu Art 18.3. AUVB 2005 = RS0119520 [T1]). Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die beim Kläger bestehenden Erkrankungen zwar am Unfallereignis mitgewirkt haben, weil er mangels Fähigkeit den Temperaturanstieg wahrzunehmen die Füße nicht bereits bei 45° C aus dem Wasser gezogen hat, dies aber im Sinn der zitierten Judikatur nicht zu einer Minderung der Ansprüche des Klägers führt, ist somit nicht korrekturbedürftig.

Ebenfalls nicht korrekturbedürftig ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass ein Mitwirkungsanteil der Vorerkrankungen des Klägers an den weiteren Unfallfolgen, nämlich der chronischen Infektion/Sepsis und der Amputation des linken Unterschenkels, sehr wohl zu berücksichtigen ist, stellte das Erstgericht doch fest, dass bei den vom Kläger erlittenen Verbrennungen das Risiko einer Wundinfektion samt nachfolgender Amputation im Vergleich zu Personen ohne seine Vorerkrankungen deutlich höher ist.

Anmerkung

Die Entscheidung des OGH ist sowohl bezüglich des Unfallbegriffes als auch der Ausführungen zum Mitwirkungsanteil schlüssig. Man muss jedoch beachten, dass es auch Produkte am Markt gibt, bei denen ein Abzug auch dann erfolgt, wenn die Vorerkrankung am Unfallereignis selbst mitwirkt, was hier der Fall ist. Zudem ist auch immer zu beachten, dass dem VN die vorvertragliche Anzeigepflicht sowie auch die Meldung einer Gefahrerhöhung (z.B. auch Auftreten einer schweren Erkrankung während der Vertragslaufzeit) treffen. (Vgl auch versdb 2022, 18 – versdb.com)

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