Strenge Vorgehensweise des Firmenbuches bei Zwangsstrafe

Strenge Vorgehensweise des Firmenbuches bei Zwangsstrafe

Der Zweck der Offenlegungspflichten könnte leicht vereitelt werden, wenn man die Möglichkeit offenließe, sich unter Berufung auf innere Umstände den Offenlegungspflichten zu entziehen. Der Zweck rechtfertigt eine strenge Vorgehensweise des Firmenbuchgerichtes.

§ 283 UGB sieht vor, dass bei nicht rechtzeitiger Einreichung des Jahresabschlusses (unter anderem) einer GmbH Zwangsstrafen zu verhängen sind. Unterbleibt die Offenlegung, sind nach § 283 Abs 1 UGB (neben der Gesellschaft) auch die Geschäftsführer zur Befolgung der Offenlegungsvorschriften durch Zwangsstrafen anzuhalten. Schon diese Formulierung weist als Adressaten der Zwangsstrafenandrohung alle Mitglieder eines kollegialen Vertretungsorgans aus. Auf die für das Innenverhältnis maßgebliche Geschäftsverteilung kommt es dabei nicht an. Zur Wahrung der Frist genügt die Einreichung eines vorläufigen Jahresabschlusses.

Der außerordentliche Revisionsrekurs beruft sich darauf, dass die Erstellung auch nur eines vorläufigen Jahresabschlusses organisatorisch selbst bei intensivsten Bestrebungen nicht zu bewältigen gewesen sei, seien doch die Geschäftsführer der Gesellschaft aufgrund des Bilanzskandals und der damit einhergehenden Untersuchungen, des überlangen Werterhellungszeitraums und der Insolvenzanträge gegen die Konzerngesellschaft S-AG gehindert gewesen.

Nach § 283 Abs 2 Satz 2 und 3 UGB kann von der Verhängung einer Zwangsstrafe abgesehen werden, wenn das Organ offenkundig durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der fristgerechten Offenlegung gehindert war.

Ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ist nicht schon dann anzunehmen, wenn „vertragliche Aspekte zur Abklärung anstanden, die nicht gänzlich rechtlich aufgeklärt werden konnten“ (6 Ob 162/11h) oder einzelne Bilanzpositionen mit Unsicherheit behaftet sind (6 Ob 225/11y). Selbst die Berufung auf interne Unstimmigkeiten vermag mehrere Geschäftsführer nicht von ihrer Verpflichtung zu entbinden (6 Ob 214/15m). Auch ansonsten verneint die Rechtsprechung „Unmöglichkeit“ beziehungsweise fehlendes Verschulden regelmäßig: Ausbleiben des Alleingesellschafters bei der den Jahresabschluss feststellenden Generalversammlung (6 Ob 32/12t), Betriebsprüfung (RS0127070), Erkrankung oder Alter des Geschäftsführers (6 Ob 8/12p), Fehlen von Steuerformularen (6 Ob 66/12t) oder Beschlagnahme von Unterlagen in einem Strafverfahren (OLG Wien 28 R 27/01y).

Der Zweck der Offenlegung von Jahresabschlüssen besteht darin, Dritte, die die buchhalterische und finanzielle Situation der Gesellschaft nicht ausreichend kennen oder kennen können, zu informieren. Dieser Zweck könnte jedoch leicht vereitelt werden, ließe man der Gesellschaft und ihren Organen die Möglichkeit offen, sich unter Berufung auf innere Umstände den Offenlegungspflichten zu entziehen, weshalb der Zweck der Offenlegungspflichten eine strenge Vorgehensweise durch die Firmenbuchgerichte rechtfertigt. Dies gilt auch in Fällen, in denen die Erstellung eines (endgültigen) Jahresabschlusses dadurch erschwert wird, dass sich die konkrete Gesellschaft in einem Konzernverbund mit anderen Gesellschaften befindet und sich aus dieser Verzahnung Schwierigkeiten ergeben.

 

Gleichlautend auch: 6 Ob 259/20m, 6 Ob 260/20h, 6 Ob 261/20f, 6 Ob 262/20b, 6 Ob 68/21z, 6 Ob 69/21x.

 

Die Verpflichtung zur Aufstellung und zur Vorlage eines Jahresabschlusses besteht auch dann bis zur Löschung der Gesellschaft, wenn die Gesellschaft keine Tätigkeit (mehr) ausübt: 3 R 39/22k (OLG Wien).

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